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kurznotizen


1 Es geschieht doch ziemlich viel in unserer Region, jährlich werden unzählige Gebäude abgerissen, noch mehr Gebäude neuerrichtet. Der ländliche und städtische Raum befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel. Wenn das kein Grund ist, diesen Wandel zu kommentieren ... unter dem Reiter »Architekturnotizen : Kurznotizen« finden fortan (mehr oder weniger) schnell heruntergeschriebene, essayistische Beiträge zu aktuellen Geschehnissen im Bereich der Architektur, des Städtebaus, der Stadtplanung ihren Raum. Sie können mal anregend, mal kritisierend sein, sind vermutlich stets kontrovers zu diskutieren. Gern kann auch Ihr Beitrag hier veröffentlicht oder zweit-veröffentlicht werden (auch anonym). Vorerst folgt von mir hier sporadisch mal etwas, wer weiß in welche Richtung sich die »Architekturnotizen : Kurznotizen« so entwickeln ... schreiben Sie mir gern mal.

Michel Graver
Stud. Religions- & Politikwissenschaft
michel.graver(ät)freies-verlagshaus.de


1 Es geschieht doch ziemlich viel (M.G. 9. Juli 2021).
2 Zur Busse-Mühle in Hardegsen (M.G. 15. März 2018).
3 Recherche zum Gothaer-Areal Göttingen (M.G. 4. Juli 2020).
4 Was geschieht denn hier schon wieder? Zum Grotefend-Areal (M.G. 9 Juli 2021).


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4 Was geschieht denn hier (schon wieder) ?
Kurznotiz zum Grotefend-Areal (9. Juli 2021).

Man muss sich schon wundern, was in dieser Stadt (Göttingen) geschieht. Nach dem Gothaer Areal, dem Groner-Tor-Hochhäuschen soll nun auch das Grotefend-Areal verschwinden. Zukünftig wird also vielleicht nur noch das Opel-Hochhaus an die einzigwahre »Nachkriegsarchitektur« in Göttingen erinnern.

Kennen Sie das Grotefend-Areal in Göttingen? Nicht? Sie kennen aber bestimmt das »Iduna-Zemtrum«, ein Hochhaus in unmittelbarer Innenstadt- und Zentralcampus-Nähe. Gegenüber vom Iduna-Zentrum steht das Opelhochhaus, das erste Hochhaus Göttingens (damals mit Opel Werkstatt nebenan). Wiederum auf der anderen Straßenseite, also auf dem Weg zur Innenstadt steht das altehrwürdige, neoromanische Auditorium, also das erste größere Hörsaalgebäude der Uni. Und da gegenüber, am sogenannten Weender Tor, wurde in den frühen 1950ern für die Likör-Firma Grotefend ein Gebäudekomplex errichtet:

Das Grotefend-Areal.
Im hinteren Teil, also zwischen Wall und Berliner Straße gelegen, ist noch ältere Bausubstanz zu finden, dort hat(te) das Göttinger Tageblatt mal irgendetwas, ob Druckerei oder Verteilzentrum - der Schriftzug ist noch da. Im Fokus dieses Textes hier steht jedoch das vordere Gebäude, ja, da wo heute Vapiano drin ist.

Kennen Sie das Gebäude?
Es besticht durch eine große Glasfront mit drei massiven, weißen Säulen, die über zwei Stockwerke verlaufen. Besonders markant ist der, diese Fensterebene einfangende, einige Meter hervor-ragende Rahmen, der wiederum von drei schmalen Säulen gehalten wird und somit einen witterungsgeschützten Bereich überdacht. Durch seitliche Durchbrüche durch den Rahmen ist ein Zugang zur Berliner Straße und auf der linken Seite direkt zum Haupteingang (unter ehemals großen »Grotefend«-Logo möglich. Daran anschließend findet sich ein schmuckloser, dezenter, dreigeschossiger Baukörper mit regelmäßig angeordneten, beinahe quadratischen Fenstern und wiederum weit hervortretendem Flachdach. Hingegen schließt das Flachdach des rechten Gebäudeteils (an der Berliner Straße) rechtwinklig ab und besitzt zur Kreuzung keine Fenster, lediglich eine große ziffernlose Uhr, zur Berliner Straße hin jedoch große, Raumfüllende Fenster. Zur Wall-Seite bestitz der weiße schnörkellose Baukörper ein Treppenhaus mit auffälligen Lamellen vor der Fensterfront, die stark an die Lamellen des Opelhochhauses erinnern.

Dieses Gebäude wurde in den ca. 60 Jahren seines Bestehens natürlich stark verändert, große Bäume verdecken die Fassade, an Stelle der kleinen Beet-Fläche findet sich heute die Außengastronomie von Vapiano, auch Grotefend gibt es schon lange nicht mehr. Die damals strahlenden Zeiten des Nachkriegs-Wirtschaftswunder-Fortschritts sind vergangen, die Autos fahren schneller, die Stadt wird schneller, autofreundlicher, lebende Ampeln unvorstellbar. Dominierte vor 1945 vermutlich das Auditorium den Platz, so dominiert heute mehr das Opelhochhaus oder das Grotefend-Areal das Ensemble, sondern vor allem das klobige Iduna-Zentrum. Von einem Charme, wie er sich auf dem Bild der 1950er findet, kann also beim Weender Tor nicht mehr die Rede sein, weder der Charme der »Nachkriegsmoderne« noch irgend ein anderer. Letztlich findet sich eine große, verkehrs-chaotische Betonwüste mit verlorenen Bäumen und zertrampelten Zierrasen.

Was also tun ... nehmen wir doch die altbewährte Methode »Göttingen« (Stadtnamen beliebig wechselbar) : reißen wir das ganze Zeugs ab und bauen mal was richtig modernes, wie wir doch auch die gesamte »Neustadt« (zwischen Marienkirche und Paulinerkirche) planiert haben, wie wir den ollen Reitstall zum Carré (bald ohne Hauptmieter Saturn) verwandelt oder auch die gegenüberliegenden Fachwerkhäuser zum Gothaer Haus, die schnieken Häuser am Marktplatz zum Kepa-Kaufhaus etc. etc. ... Hauptsache planieren.

Aber wieso sollte man auch Gebäude aus den 1950ern, die stellvertretend für den gewissen Fortschritt, für ein Wiederaufleben der Gesellschaft nach eklig-dunklen Nazi-Jahren mit bombenhagelnder Zerstörung, stehen, erhalten? Wieso denn? Wieso sollte man denn nicht mal was neues wagen? So richtig den Fortschritt in die Stadt holen? Weg mit dem charmanten, wenig protzigen, gar zurückhaltenden und zugleich auch verspielten Gebäuden der 1950er, her mit der »modernen Architektur«! Flachdach! Fensterfronten! Verspielt aneinandergereihte Baukörper! Jawoll!

Oh, Flachdach ... Fensterfrontne ... versetzte Baukörper, das haben wir schon beim Grotefend-Areal?

Trotzdem! Weg mit den 50ern her mit was Neuem!

Oh, das neue ist gar nicht so neu? Das neue erinnert immer irgendwie an altes? Ist gar nicht so hübsch? Hat eigentlich gar kein Charakter? Ruiniert eigentlich das letzte Fitzel Charakter und Charme des Weender Tores? Äh ...

Na egal! Wir wollen doch was Fortschrittliches machen aus unserer lieben Stadt hier. Da kann das doch alles wirklich gern weg!

Wie? Etwas fortschrittliches wäre es, wenn man das alte mit dem neuen verbindet, also die alte Substanz um neue, verbindende Baukörper ergänzt und so Zeugnisse der 50er erhält und zugleich Raum für neue Ideen und Konzepte schafft?

Also beispielsweise den Paternoster aus dem Gothaer Areal nicht abreist (März 2020), sondern vielleicht in den (nun ohnehin gleich aufgebauten Baukörper) integriert? Also die »Weiße Schule« auf dem Gothaer Aral nicht planiert, sondern vielleicht als Zeugnis eines Kasernen-Wirtschaftsgebäudes, eines »displaced persons«-Camps, einer der ersten Nachkriegs-Volksschulen und dem ersten Standort des späteren Theodor-Heuss-Gymnasiums erhält?

Also beispielsweise die grobe Form und die Dachkonstruktion, oder vielleicht auch das Treppenhaus des Sparkassen-Hochhäuschens am Groner Tor erhält und in einen »zeitgemäßen« Sparkassen-Bau mit meinetwegen versetzt angeordneten Fenstern (ach wie »modern«) einbezieht?

Also beispielsweise den Baukörper mit der markanten Glas-Säulen-Rahmen-Front erhält, vielleicht sogar das original (ohne genauertes Obergeschoss rekonstruiert), das Treppenhaus mit Lamellen weiterhin nutzt, jedoch die weiteren Gebäudeteile »modernisiert«, aufstockt, was weiß ich.

Aber nein.

Es ist doch viel schöner, wenn auch die kommenden Generationen, wie wir es doch über vergangene Abriss-Sünden (Neustadt, Reitstall, Pandektengasse/Gronerstr (richtig altes Fachwerk!), Kepa (heute Karstadt-Sport), Hospitalstraße (ehem. Stift St. Crucis), Ritterplan (mit Jugendstil-Oberlicht), Stadtbad (Jugendstil, heute Carré-Parkhaus) ... ) verzweifelt den Kopf schütteln können.

Pfui!

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Literatur

Zu Grotefend:
Adina Eckart (2019): Die Firma Grotefend - „Coca-Cola“ und der Nikolausberger Klostergeist, museum.goettingen.de

Zu Zwangsarbeit bei Grotefend:
zwangsarbeit-in-goettingen.de

Zum Bauen in den 50ern und 60ern in Göttingen:
Katharina Klocke (2011): Bauen in 1960er Jahren. Schlicht und schmucklos (20.01.2011, GT), goettinger-tageblatt.de

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Fotos

Fotodokumentation zum Wandel des Weender Tores ...
sozialdokumentarische-fotografie.com

... und zum Umbau 2010
sozialdokumentarische-fotografie.com

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Aus der Chronik

4. Dezember 1959
Einweihung des Neubaues des von der Firma Grotefend an der Ecke der Weender und Berliner Straße errichteten großen Gebäudes. Das von Architekt Kratz in Düsseldorf entworfene Bauwerk ist für die am alten Weender Tor jetzt entstehende moderne Platzanlage ein wesentlicher städtebaulicher Akzent. (stadtarchiv.goettingen.de)

28. Oktober 1965
Die Getränke-Industrie-Firma C. Grotefend, 1865 in Reinhausen gegründet, seit 1870 in Göttingen, begeht ihr hundertjähriges Bestehen. (stadtarchiv.goettingen.de)

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Friedrich Christoph Dahlmann (1785 - 1860) wohnte von 1829 an bei dem Zimmermeister A. Chr. Freise, bzw. dessen Sohn F. Freise, in dem neu erbauten Haus am Weender Tor gegenüber dem Auditorium, Weender Landstraße 1. Hier blieb er bis zu seiner Vertreibung im Dezember 1837 wohnen. Das Haus wurde im 2. Weltkrieg zerstört (heute C. Grotefend). Die Gedenktafel war von dem Universitätskurator v. Warnstedt im Jahre 1874 gestiftet worden. (Walter Nissen, stadtarchiv.goettingen.de)

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Aus Presse & Medien

09.07.2021, GT: Tageblatt-Leser fürchten durch den Neubau am Weender Tor eine „Verschandelung der Stadt“, goettinger-tageblatt.de

08.07.2021, GT: So soll der Neubau am Weender Tor in Göttingen aussehen, goettinger-tageblatt.de

10.06.2021, GT: Göttinger Grotefend-Areal: Ankermieter Arineo und Streit ums Verfahren (Das Grotefend-Areal am Weender Tor soll großflächig bebaut werden. Die Grünen fordern einen Architektenwettbewerb, die SPD drängt auf schnelle Umsetzung. Ein Göttinger Ankermieter hat bereits Interesse.), petra-broistedt.de

30.05.2021, Bündnis für nachhaltige Stadtentwicklung Göttingen: Hauptpost und Weender Tor … Bündnis mahnt Bürgerbeteiligung an!, bfns-goettingen.de

26.05.2021, HNA: Gasleck am Weender Tor in Göttingen: Großräumige Sperrung, hna.de

06.05.2021, GT: Architekten-Bund fordert Wettbewerb. Neue Bebauung am Weender Tor löst „erhebliche Irritationen“ aus, goettinger-tageblatt.de

16.04.2021, Stadt Göttingen: Sitzung in der Sparkassen-Arena - 15 politische Anträge auf der Tagesordnung, goettingen.de

08.01.2020, Harz Kurier: Rolf-Georg Köhler begrüßt mit rund 1.000 Gästen das neue Jahr, harzkurier.de

12.12.2019, GT: Unternehmen Hanseatic kauft Gelände am Weender Tor, goettinger-tageblatt.de

14.12.2018, GT: Wohnen und Gewerbe am Weender Tor, goettinger-tageblatt.de

24.02.2015, HNA: Nach Gas-Verpuffung bei Blutspendedienst: Ärztin gestorben, hna.de

22.09.2011, KPW: Göttingen wird umgebaut : 2010 Vapiano - früher Grotefend und DAK, sozialdokumentarische-fotografie.com

20.01.2011, GT: Bauen in 1960er Jahren. Schlicht und schmucklos, goettinger-tageblatt.de

17.12.2010, GT: Pappardelle, Penne und Pizza am Weender Tor, goettinger-tageblatt.de

*

o.J. Dipl. Ing. Ralf Dietrich Matthaei: Weender Tor in Göttingen - Freilegung des Grüngürtels, 3 Recherche zum Gothaer-Areal Göttingen
erstveröffentlicht auf migraver.wordpress.com, 4. Juli 2020.

Im Frühjahr diesen Jahres habe ich mich intensiv mit dem Entstehen und Wandel des Gothaer-Areals an der Geismar Landstraße Göttingen auseinandergesetzt:

Architekturnotizen Göttingen : Das Gothaer-Areal

Die Recherchen fanden leider unter sehr erschwerten Bedingungen statt, denn das Stadtarchiv und das Städtische Museum waren noch bis vor kurzem geschlossen. Das Resultat ist daher noch sehr ausbaufähig, einzelne Daten und Ereignisse tiefer zu erforschen und historische Aufnahmen lediglich durch alte Ansichtskarten zusammengetragen.

Doch ist das Resultat auch mein erster Versuch, mit einer Webplattform, SVG-Arealplänen und Gebäudeskizzen die Veränderungen eines Gebäudekomplexes darzustellen.

Dies soll ein erster Anfang sein, langfristig würde ich gern vermehrt Notizen zu einzelnen Gebäuden veröffentlichen, wenn auch mit nur rudimentärem architekturgeschichtlichem/-theoretischem Wissen.

Und schon vorab die interessantesten Entdeckungen:

Michel Graver
michel.graver(ät)stud.uni-goettingen.de


2 Zur Busse-Mühle in Hardegsen
erstveröffentlicht auf migraver.wordpress.com, 15. März 2018

Inhalt |
Vorwort | Kommentar | Geschichte | Abriss | Historische Fotos | 2015



Vorwort, Juli 2020.
Vor mittlerweile zwei Jahren wurde die Mühlenbäckerei Walter Busse in Hardegsen (Lk Northeim) abgerissen. Ich ging in Hardegsen zur Schule und war somit sehr schockiert – gehörte die Bäckerei mit ihrem eigenwilligen Gebäude doch fest zu meiner kleinen Stadt. Ich fing ein paar Eindrücke vor Ort ein, recherchierte ein wenig, schrieb mir aber vor allem ein paar frustrierte Worte — drei Tage nach Abrissbeginn veröffentlichte ich den untenstehenden Beitrag, mittlerweile der meistbesuchte auf meinem kleinen Blog. Um all jenen Besucher*innen, die eigentlich nur die Öffnungszeiten der Bäckerei erfahren wollten, die weitere Lektüre zu ersparen:

Seit dem Jahreswechsel 2017 / 2018 ist die Mühlenbäckerei Walter Busse leider geschlossen.

Mittlerweile hat sich das Areal, der Lindenplatz, sehr verändert. Ein großes Mehrfamilienhaus (selbstverständlich Flachdach) ist entstanden, darin auch eine Pflegewohngemeinschaft der Johanniter (dort auch aktuelle Fotos & Pläne). Der Bau wurde (vermutlich) von Albrecht & Weisser Architekten, Northeim, (u.a. die Sanierung des Handelshauses am Göttinger Nabel!) entworfen und maßgeblich von Schonlau Bau, Hardegsen, ausgeführt. Hinter dem großen Gebäude entstehen weitere Wohnbauten. Zur gesamten Entwicklung des Lindenplatzes, siehe ebenfalls die Zusammenstellung auf hardegsen.de. Besonders erwähnenswert ist der Bericht der Architekten zum Zustand der Gebäude im August 2017.

Mit leichten Formulierungsänderungen, doch ohne Korrekturen des Inhaltes (auch wenn er sehr subjektiv und vielleicht etwas unreflektiert ist), hier mein damaliger Text (15. März 2018).

Am 12. März 2018 begannen die Abrissarbeiten an der Mühlenbäckerei Busse in Hardegsen, Northeim.

Neben den Wohn- und Verkaufsgebäuden wird auch eine Industriemühle, die Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden ist, abgerissen. In dem recht beeindruckenden, großen und fensterarmen Backsteingebäude befindet sich vom obersten Dachboden bis in den Keller alle nötigen Vorrichtungen, um aus Korn Mehl herzustellen.

Einen Abriss der Mühle kann man wohl leider nicht mehr verhindern, aber dafür haben wir in ca. fünfzig Jahren noch einen Grund mehr, den Kopf zu schütteln, wie wir so etwas haben zulassen bzw. genehmigen können. Den Abriss eines Industrie- und Kulturdenkmals, welches nicht als ein solches bezeichnet wurde, da es bis vor kurzem Verwendung fand und als selbstverständlich erachtet wurde (naja … Mühlenbetrieb nur bis 1965, Juli 2020). Mich macht so etwas traurig, da vor lauter städteplanerischer auf Profit und Fortschritt im Stile der alten Neuen Sachlichkeit ausgerichteter Blindheit nur der Leerstand gesehen wird, wo kein unwichtigerer Zweck vorhanden ist, als den nachfolgenden Generationen zu zeigen, wie Mehl zu Zeiten ihrer Urur…großeltern hergestellt wurde, ohne Touchscreen und Computer. Einen Erhalt des Gebäudes und eine damit verbundene Einbindung in einen von mir aus dann errichteten modernen Komplex um das Gebäude herum fänd ich deutlich charmanter und einmaliger, als wieder einen modernen Komplex, der in fünfzig Jahren so hässlich (nicht als persönliche Kritik an den Archtikt*innen!, vielmehr als Kritik an der inflatiösen Rezeption des „Bauhaus-Stils“ bei an sich gelungen Bauprojekten, die nur in vollkommenen unpassenden Umgebungen/Räumen verwirklicht werden, Juli 2020) empfunden werden wird, wie wir heute den Brutalismus und Funktionalismus als schreckliche Bauten der 60er ansehen.

Auch wenn die Grundfläche somit ungenutzt wäre – obwohl in der ehemaligen Mahlstube ein Café Platz hätte – müsste nur das Dach dicht sein und regelmäßig die Räume kontrolliert werden und schwupps – da hätten wir ein Industriedenkmal, welches die nächsten 50 Jahre regelmäßig von den Grundschulkindern hätte besucht werden und Lehrenden als Anschauungsobjekt hätte dienen können.

Aber was solls. Vielleicht zieht ja der neue Bau vor dem Tore Menschen als Tourist*innen nach Hardegsen. Solch einen Bau in einem so „modernen“ „Stil“ können sie ja sonst auch sehr selten sehen. Gut erhaltene Industriemühlen des 19. Jahrhunderts wachsen ja wie Sand am Meer.

Aktualisierung (am 13. Jan. 2019 ergänzt)Skizze von Rüdiger Hagen, Februar 2018.
Initiiert von Werner Busse, Sohn Walter Busses, konnten im Januar 2018 zusammen mit dem Räbker Förderverein Teile der Mühle ausgebaut werden! Einen Bericht, der das Herz ein wenig höher schlagen und Teile des Industriedenkmals in sicheren Händen wägen lässt, empfehle ich jeder und jedem zur Lektüre: muehle-raebke.de. Auf der Seite findet sich auch eine wunderbare Skizze der Mühle!

Zur Mühlenbäckerei

Die folgenden Texte und die Bilder ganz unten habe ich damals der Website der Mühlenbäckerei Busse entnommen, ehe sie im Laufe der darauffolgenden Monate offline geschaltet wurde.

Für uns stehen seit 1883 Tradition, handwerkliches Können und beste Zutaten für höchste Qualität im Mittelpunkt.
Probieren Sie unsere Spezialitäten wie Schmandkuchen, Mohnkuchen schlesischer Art, Butterkuchen, Butterstreuselkuchen und vieles mehr. Wir fertigen Ihnen Kuchen und Torten zu jedem Anlass, gerne beraten wir Sie persönlich!
Neben unseren Filialen, die wir betreiben, beliefern wir z. B. die KGS in Moringen, Fa. TEDOX „Café Gute Stube“ in Harste, verschiedene Seniorenheime, Restaurants, Firmen und Hotels mit unserem Brot, Brötchen (natürlich auch in unterschiedlichsten Varianten belegt möglich), Kuchen und Torten. Sprechen Sie uns an, selbstverständlich könne wir Ihnen ein individuelles Angebot ausarbeiten.

Wenn Sie Urlaub in Heiligenhafen machen, sind wir auch schon da! Kommen Sie in unserer neuen Bäckerei mit Café vorbei und kosten Sie zum Beispiel unsere beliebten Windbeutel mit den unterschiedlichsten Füllungen
muehlenbaeckerei-busse.de, 14.3.18

Zur Geschichte der Mühle und der Bäckerei

1883 bis 1920 Müllermeister Heinrich Busse
1920 bis 1948 Müllermeister und Bäcker Wilhelm Busse
1948 bis 1984 Bäcker- und Müllermeister Walter Busse
1984 bis 2014 Konditor und Bäckermeister Walter Busse
seit 01.05.2014 Heike Busse

Sie fragen sich, warum heißt es eigentlich „Mühlenbäckerei“?
Über Generationen wurde neben den Bäckereigeschäften auch eine eigene Mühle betrieben. Diese lieferte die verarbeiteten Rohstoffe direkt in die Backstube. Der Betrieb musste aber 2002 aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt werden und seit dem konzentrieren wir uns ganz auf unser Bäckerhandwerk. ebd.

Fotos von der Mühlenbäckerei kurz vor dem vollständigen Abriss
Zuerst ein paar Eindrücke von außen und dann ein Gang durch das Gebäude vom Bereich unter dem (fehlenden) Dach, durch die einzelnen Stockwerke der Industriemühle, einen kleinen Eindruck in die Backstube mit dem älteren Ofen, hinunter in die Kellergewölbe mit einem noch plätschernden Wasserlauf.

Die Fotos sind im Blog-Beitrag auf migraver.wordpress.com eingebettet


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