Kunstsammlung der Georg-August-Universität, Göttingen Der Wandel des Göttinger Stadtbildes nach 1945 Ausstellung im Alten Auditorium, 15. Jan. - 19. Feb. 1989 Begleitheft, herausgegeben von Bruno Klein. Göttingen 1989 Hier 2,5seitiger Auszug aus dem Kapitel »Vom Groner zum Weender Tor, Goethallee und Bahnhofswestseite« von Berit Bremer, Ilse Hillinger, Reiner Bolle ... »»» Der Bereich des Weender Tores Als der Bereich vor der Bahnlinie 1899 Gewerbegebiet wurde, hörte der Bau von Villen an der Weender Landtraße auf; der vornehme Charakter der Straße ging verloren. Das Weender Tor wurde seit 1864 allein vom repräsentativen Auditorium beherrscht. Zusammen mit kleineren, ebenfalls neuromanischen Bauten vrlieh es dem Torbereich eine architektonische Einheit. Zwischen innerem und äußerem Weender Tor war seit der Entfestigung der Stand im 18. Jahrhunder ein neues Stadtviertel entstanden. Sein Bild wurde bestimmt von geschlossenen Häuserzeilen meist verputzter Fachwerkbauten, die unterschiedliche Höhe besaßen. Darin setzte der Universitätsreitstall von 1735 den Hauptakzent. Wie Groner und Geismar Tor wurde auch das Weender Tor nach dem Zweiten Weltkrieg zum Verkehrsknotenpunkt, dem die Stadtplanung gerecht zu werden versuchte. Da die Grundstücke dort größer waren als in der Innenstadt, konnten durch Abriß schnell weite Freiräume geschaffen werden. Die exponierte Lage ließ die Torareale geeignet erscheinen, dort dem Wunsch der Stadt nach einem modernen "Image" Ausdruck zu verleihen. Nur das Gebäude gegenüber dem Auditorium wurde schwer kriegsgeschädigt [dort heute Grotefend], ansonsten war die historische Bausubstanz erhalten. Rund zehn Jahre nach Kriegsende setzte die Neubebauung des Weender Tores ein. Das erste echte Bürohaus Göttingens entstand 1954 in der Berliner Straße 2, ein Jahr später datiert das Opelhaus, Weender Straße 6; 1960 [falsch, 1959] folgte der Grotefend-Bau Berliner-/Ecke Weender Landstraße. So war ein Ensemble von aufgelockerter historischer und moderner Architektur entstanden. Viel raumgreifender war die Umbauphase zwischen 1965 und 1975: In diese Zeit gehören der vierspurige Ausbau von Weender Land- und Berliner Straße ab 1965 und die gleichzeitigen Neubauten der Universität (Geisteswissenschaftliches Zentum [»Zentralcampus« mit ZHG, Theo, Oec und Juridicum, sowie dem Verfügungsgebäude]), das Iduna-Zentrum von 1973 und zuletzt die Verbreiterung des Nikolausberger Weges. Vom alten Baubstad blieb nur das Auditorium [und die Villa des Instituts für Demokratieforschung, sowie das Seminargebäude (Archäologie, Kunstgeschichte], alle übrigen Häuser wurden abgerissen. Die Neubebauung folgte verschiedenen Konzepten, die einander ablösten: Integrierte sich da viergeschossige Bürogebäude von 1954 noch als eigenständigs modernes Glied in die vorhandene Bebauung, so machte sich schon ein Jahr später der achtgeschossge Stahlskelettbau des Opelhauses zur selbstbewußten Dominante des Tores. Industrielle Moderität drückte der feingliedrige Grotefend-Bau aus: seine verglate Front erlaubte bis zum unglücklichen Umbau 1987 den Blick auf die Abfüllanlage des Betriebes. (15) Das Iduna-Zentrum nahm dem Auditorium endgültig sein einst hervorragende Position: Der raumgreifende, vielfach ineinandergeschachtelte Stahlbetonbau war nicht nur für das Torgebiet maßstabssprengend, sondern auch der bis dahin höchste Neubau Göttingens. Tritt der Komplex schon mit keinem der benachbarten modernen Gebäude in Beziehung, so nimmt er durch Größe (17 Geschosse), Struktur und Farbigkeit noch viel weniger Rücksicht auf die historische Substanz der Stadt. Der Ausbau der Berliner Straße zur vierspurigen Ring- und der Weender Alle zur breiten Ausfallstraße hat das unzusammenhängende Nebeneinander unterstützt. Beide Straßen werden [wurden] von Fußgängerbrücken überspannt, die als Auftakt einer Passage zwischen Iduna-Zentrum und Hertie-Kaufhaus gedacht waren. Ihre Aufgänge, um Obelisken gewunden, erreichen eine selbständige Monumentalität. Dabei vernichtet der südliche die Platzfläche des Weender Tores und raubt den Blick auf die Fassaden von Grotefend-Bau und Auditorium. Der Zugang zum Auditorium ist durch hohe Büsche in der Portalachse und eine ungünstige Führung des Fußweges erschwert. Da die Weender Straße vor dem Wall trichterförmig ausgeweitet wurde, ist auf dem ehemaligen Platz fast keine Fußgängerfläche mehr geblieben; seiner Funktion als Hauptzugang zur Universität kann er damit nicht mehr gerecht werden. Im Bereich des inneren Weender Tores waren die Veränderungen ebenso gravierend. Den Auftakt machte der Neubau der Städtischen Sparkasse 1965 [heute New Yorker]; der nahezu komplette Abriß des Reitstallviertels ab 1968 bot die Möglichkeit zur vollständigen Neuplanung [das Tor findet sich heute am Rande des Zentralcampus']. Nachdem Pläne für ein Rathaus fallengelassen worden waren, folgte 1972 deer Bau des Gothaer- [steht lange lehr], 1974 des Hertie-Hauses [anstelle des Reitstalls von 1735, heute Carré]. Zuletzt entstand 1984 das Gebäude Reitstall-/Ecke Weender Straße [McD.]. (16) Auch hier sind die Neubauten weder durch Volumen, noch in Dachform, Material, Fassadenstruktur und Farbigkeit auf die historische Umgebung bezogen. Erst nach Erlaß iner Gestaltungssatzung [1972] zeigte erstmalig wieder der Neubau Reitstall-/Ecke Weender Straße eine angemessene [?!] kleinteilige Fassadengliederung [ok, im Vergleich zu ...] Am Weender Tor überschneiden sich wie auch an Groner- und Geismar Tor architektonische und stadtplanerische Konzeptionen und Präferenzen. In den 50er wie 60er Jahren stellte man repräsentative, moderne Einzelbauten in eine weiträumige, oft begrünte Umgebung. Bis ca. 1975 war die autogerechte Stadt vorherrschendes Konzept. Iduna-Zentrum und Wohnhaus Groner Landstraße 9 sind typischer Ausdruck einer Denkweise der 70er Jahre, die heute kaum noch Zustimmung finden würde. Da der historische Stadtkern erhalten werden sollte, mußte der Anspruch, eine moderne Großstadt zu sein, in den Torbereichen durch markante Hochhäuser inszeniert werden. Das Parkhaus in der Groner-Tor-Straße ist dagegen - ähnlich wie in der Reitstallstraße und Hospitalstraße - Ausdruck eines heute noch aktuellen Konzepts: Dem Autoverkehr wird Rechnung getragen, aber die Parkhäuser sollen nicht mehr auffallen [doch was für die Parkhäuser weichen musste; am Groner Tor die Kommenden- und Geisthof-Reste, in der Hospitalstraße Otfrieds Garten, und obendrein im weitesten Sinne der Reitstall]. Man versucht, sie in Seitenstraßen der Torbereiche zu errichten, oder sie - wie am Groner Tor - in die zweite Reihe zu setzen. Die dabei zustandegekommen[en] Lösungen sind jedoch im Gefüge des historischen Stadtbildes kaum überzeugend [eben!]. Die Tore zeichnen sich heute durch unübersichtliche Größenverhältnisse und disparate Bebauung aus. Ihre Funktion ist allein die des Verkehrsknotenpunkes - ohne integrierendes Konzept stellt sich hier die moderne Großstadt nur sehr einseitig zu Schau. ««« Das vollständige Heft ist im Stadtarchiv Göttingen oder in der SUB Göttingen einsehbar.